Edmund White flaniert durch Paris 20. Mai 2016 – Posted in: Aktuelles – Tags: , ,

Ein Buch geht auf Reisen

Wir schicken Edmund White mit seinem Buch Der Flaneur. Streifzüge durch das andere Paris auf einen besonderen Spaziergang durch die Stadt an der Seine. Der literarische Stadtführer kehrt an Orte zurück, die in seinem Text erwähnt werden. Der Pariser Künstler Hueco ist so freundlich, Edmund White an und in die Hand zu nehmen und ihn noch einmal literarisch umherschweifen zu lassen. Wir stellen euch ausgewählte Läden, Plätze und Sehenswürdigkeiten in Whites eigenen Worten vor. Viel Spaß beim Flanieren!

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Izraël – Le Monde des Epices

»In Paris kann man wirklich alles kaufen. Bei Izraël’s – Le Monde des Epices gibt es Tequila und Tacos, Kuhbohnen und Backmischungen für Pfannkuchen, Popcorn zum Selbermachen, das man gleich in der Verpackung aus Alufolie auf den Herd stellt, und allerbesten Slivovitz.«

Izraël - Le Monde des Epices

Izraël – Le Monde des Epices

Friedhof Père Lachaise

»Als Wilde am 30. November 1900 im Alter von zweiundvierzig Jahren starb, landete sein Leichnam in einem bescheidenen Grab im Vorort Bagneux. Erst 1909 wurden seine sterblichen Überreste in eine angemessenere Grabstätte auf dem Friedhof Père Lachaise überführt. Dort fand er seine letzte Ruhe zu Füßen eines weißen geflügelten Engels, den Sir Jacob Epstein aus dem Stein geschlagen hatte (der Engel hat leicht äthiopische Züge). Die Inschrift ist ein Zitat aus Die Ballade vom Zuchthaus in Reading:

Und des Mitleids zersprungener Krug
Ist mit fremden Tränen beschwert.
Die Ausgestoßenen weinen um ihn,
Man hat sie das Weinen gelehrt.«

Grabmal von Oscar Wilde auf dem Friedhof Père Lachaise

Grabmal von Oscar Wilde auf dem Friedhof Père Lachaise

Synagogue Fleischman

»Der Flaneur streift durch das jüdische Getto im Marais, im 4. Arrondissement. Nicht weit vom Hôtel de Ville entfernt liegen dort in einem kleinen Straßengeviert – dessen Grenze im Westen die Rue Vieille du Temple bildet, im Osten die Rue Pavée, im Norden die Rue des Francs Bourgeois und im Süden die Rue du Roi de Sicile – Geschäfte, in denen es die Thora und den Chanukkaleuchter zu kaufen gibt, Läden für koschere Lebensmittel, die Reste eines alten rituellen Bads und zwei Synagogen. Die eine ist die Synagogue Fleischman, klein und schwer zu entdecken in der Rue des Écouffes, die andere ist elegant und leichter auszumachen […]«

Fondation Roger Fleischman

Fondation Roger Fleischman

Synagogue de la rue Pavée

»[…] – die Synagogue de la rue Pavée. Sie wurde zwischen 1910 und 1913 von gerade erst eingewanderten polnischen Juden errichtet und geplant von Hector Guimard, jenem extravaganten Architekten, der die Jugendstileingänge zur Métro entwarf.«

Synagogue de la rué Pavée

Synagogue de la rué Pavée

Die Freiheitsstatue(n)

»Außerdem kann man nicht nur eine, sondern gleich zwei Kopien der Freiheitsstatue besichtigen – die erste in einem schattigen Winkel des Jardin du Luxembourg, die zweite in der Mitte der Seine zwischen dem 15. und 16. Arrondissement, auf der Pont de Grenelle.«

Die Kopie der Freiheitsstatue im Jardin du Luxembourg

Die Kopie der Freiheitsstatue im Jardin du Luxembourg

Institut de France

»Von Saint-Germain aus gehe ich gern die Rue Bonaparte hinunter, vorbei an den Möbel- und Stoffgeschäften, der Académie des Beaux Arts und den Läden voller Kunstdrucke, bis ich zum Institut de France gelange, jenem Gebäude, in dem die Académie Française sowie die dazugehörige Bibliothèque Mazarine logieren. Vor dem Institut, das wegen der Erhabenheit seiner Kuppel und seiner perfekten italienisierten Proportionen mein liebstes Gebäude in Paris ist, führt eine hölzerne Fußgängerbrücke hinüber zum Louvre samt seinem ältesten Teil, dem Cour Carré.«

Das Institut de France mit seiner beeindruckenden Kuppel

Das Institut de France mit seiner beeindruckenden Kuppel

Der Denker

»Es gibt ein Museum für den Bildhauer Rodin (ein großes Wohnhaus mit ausgedehntem Garten, wo sich die Bronzefiguren des Meisters mit ihrer meist zerklüfteten Oberfläche finden, darunter Der Denker. Vor dem Haus steht Das Höllentor.)«

Der Denker vor dem Musée Rodin

Der Denker vor dem Musée Rodin

Place de la Concorde

»Natürlich wurden Ludwig XVI. und seine aus Österreich stammende Frau nicht mit dem bei den Bourbonen üblichen Pomp beerdigt, nachdem man sie geköpft hatte. Ludwig XVI. wurde am 21. Januar 1793 exekutiert, im Anschluss an ein zwei Monate dauerndes Verfahren. Sein Todesurteil fiel mit nur einer Stimme Mehrheit – 361 Delegierte gegen 360. Die Königin wurde neun Monate später guillotiniert, und zwar durch den Sohn des Scharfrichters ihres Mannes. Aus Anlass der königlichen Hinrichtungen erhielt jener Platz, den wir heute als Place de la Concorde kennen (und der ursprünglich den Namen Place Louis XV trug) einen neuen Namen – Place de la Révolution.

Am 21. Januar 1993 versammelten sich um Punkt 10.22 Uhr rund 5000 Monarchisten auf dem Place de la Concorde, um am 200. Jahrestag der Enthauptung des Königs ein Zeichen zu setzen. Walter Curley, 1993 amerikanischer Botschafter in Paris und selbst Experte in Sachen Könige und Königinnen, legte zum Gedenken daran, dass Ludwig XVI. die amerikanische Revolution unterstützt hatte, auf dem Platz ein Blumenbukett nieder. Aber es stellten sich auch einige neuzeitliche Jakobiner ein, um die Royalisten zu verspotten – sie hielten einen Kalbskopf in die Höhe.

Seltsamerweise war der Place de la Concorde schon zuvor einmal Schauplatz einer Tragödie, und zwar am 30. Mai 1770, zu einer Zeit, als Marie Antoinette und der König Hochzeit feierten. Feuerwerkskörper, die ein imponierendes Schauspiel für das Volk liefern sollten, gerieten damals in Brand, legten den zu Ehren von Hymen errichteten provisorischen Tempel in Schutt und Asche und brachten Dutzenden von Schaulustigen den Tod. Andere erstickten zwischen den vielen, die in wilder Panik flüchteten. Ihre Leichen wurden auf dem Madeleine-Friedhof gleich nördlich des Platzes begraben. Etwa dreiundzwanzig Jahre später sollten die Leichen des Königspaars auf demselben Friedhof in einem Massengrab landen.«

Der Place de la Concorde mit Obelisk

Der Place de la Concorde mit Obelisk

Musée Gustave Moreau

»Ich selbst habe zwei Lieblingsmuseen – das eine ist für die Öffentlichkeit geschlossen: das Hôtel de Lauzun; das andere ist zu besichtigen: das Musée Gustave Moreau. […] Moreaus Haus war Anziehungspunkt für reale wie für fiktionale Figuren. Oscar Wildes Dorian Gray schwebt über Moreaus Gemälden. Proust schrieb über Moreaus Haus in seinen ›Bemerkungen zur geheimnisvollen Welt des Gustave Moreau‹. Des Esseintes, der Held aus J. K. Huysmans’ Bibel der Dekadenz Gegen den Strich (À rebours), blickt liebevoll auf Moreaus Werke, auf die androgynen Gestalten, die bleichen Jünglinge und die juwelenbehängten Vertreterinnen des Faszinosums Frau, die als Quintessenz zur Bewegung der Dekadenz gehören – auf Werke, die von einem Einsiedler stammen, aber von einem sehr wissenden, sehr weltlichen. (Wie Degas meinte: ›Er ist ein Einsiedler, der den Zugfahrplan auswendig kennt.‹) Huysmans’ männliche Charaktere sind masochistische Epheben (der heilige Sebastian ist eine bevorzugte, langsam dahinsiechende Figur), seine Frauen sind grausame Schönheiten (geradezu besessen schildert er immer wieder Salomé, wie sie den abgetrennten Kopf von Johannes dem Täufer küsst), und alle ähneln einander stark. Cézanne war allergisch gegen Moreau und führte dessen angeschlagene Gesundheit darauf zurück, dass er sich lieber in Museen herumtrieb, als Naturbeobachtungen anzustellen. Als Moreau zu Degas sagte: ›Wollen Sie etwa behaupten, Sie könnten der Kunst durch den Tanz zu neuer Bedeutung verhelfen?‹ entgegnete Degas: ›Und Sie, denken Sie wirklich, Sie könnten sie mithilfe von Geschmeide erneuern?‹«

Vor dem Portal des Musée Gustave Moreau

Vor dem Portal des Musée Gustave Moreau

Musée de la Vie Romantique

»Zu nennen ist aber auch das Musée de la Vie Romantique, das dem Andenken an George Sand und ihren Künstlerkreis gewidmet ist, zu dem Ingres, Delacroix, Liszt und Sands Liebhaber Chopin gehörten. Das Haus liegt in einem ruhigen Garten in der Rue Chaptal 16, in jenem Teil des 9. Arrondissement, der Neu-Athen heißt (La Nouvelle Athènes), zwischen der Kirche Sainte Trinité und dem Place Blanche, wo das Viertel Montmartre beginnt.«

Im Garten des Musée de la Vie Romantique

Im Garten des Musée de la Vie Romantique