Literarische Reisen: Unsere Vorschau für Herbst 2023 14. Juni 2023 – Posted in: Aktuelles – Tags: , , , ,

Hier kommt unser Verlagsprogramm für den Herbst 2023. Wir gehen mit Michael Roes und Spunk auf große Walz durchs Deutschland der ausgehenden Siebziger Jahre und reisen mit Gabriel Wolkenfeld und Wir Propagandisten in ein Land, das es, so der Autor, nicht mehr gibt: das Russland vor dem Homopropagandagesetz und dem Krieg gegen die Ukraine.

MICHAEL ROES: SPUNK

„Einen besseren Ort gibt es nicht. Als den auf der Straße. Unterwegs. Und kein besseres Alter als achtzehn Jahre.“

Mit diesen Worten beginnt Michael Roes’ Roman Spunk. Der Ton ist damit gesetzt. Nach seiner Ausbildung zum Dachdecker entflieht Gabriel der gewalttätigen Enge seines rheinischen Elternhauses, indem er – gemäß alter Handwerkertradition – auf Wanderschaft geht. Bewehrt mit Stenz und Charlie, entdeckt er das Land seiner Herkunft in all seiner Schönheit und Zerrissenheit. Sein Begleiter: ein Wanderbuch, dem er nicht nur seine Stationen und Bekanntschaften, sondern auch seine tiefsten Gedanken anvertraut. Sie drehen sich um Freiheit, Sexualität, Gesellschaft, Familie und die Macht der Worte. Und vielleicht auch ein bisschen um die Liebe.

Nur wenigen Schreibenden gelingt es so eindrücklich, Epochen, Orte und Kulturen mit den Mitteln der Sprache zu vermessen wie Michael Roes. Sein neues Buch bezeichnet er ironisch als „Heimatroman“. Das passt. Mit jedem Kilometer, den sich der Ich-Erzähler weiter von „Vaddern“ und „Muddern“ entfernt, werden seine Gedanken spielerischer und seine Lust, die Grenzen der eigenen Herkunft zu sprengen, größer. So skizziert der Text nicht nur eine geografische Reise, sondern auch ein Entkommen aus dem tristen Schweigen der westdeutschen Vorwende-Provinz in die gelöste Rhetorik eines freien Geistes. Am Wegesrand: die Alpen, das Meer und ein lebensverändernder Abstecher in die vergangene Parallelwelt der Aussteiger-Insel West-Berlin, deren anarchistischem Geist Spunk ein Denkmal setzt.

GABRIEL WOLKENFELD: WIR PROPAGANDISTEN

„Panzer rollen die Leninallee entlang. … Uniformierte, wie halbe Gottheiten, schreiten einher. Junge Männer mit glatten Gesichtern, die auf Veteranen machen. … Männer, die von Heldentaten träumen.“

Gabriel Wolkenfelds Wir Propagandisten entstand 2013 als literarische Reaktion auf die Verabschiedung des sogenannten Homo-Propaganda-Gesetzes in Russland. Zehn Jahre nach seiner Entstehung ist der Text aktueller denn je. Nicht nur wurde das Homo-Propaganda-Gesetz seither von Ländern wie Ungarn adaptiert und in Russland 2022 nochmals verschärft, es lädt im Kontext des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine auch zu neuem Nachdenken über die Zusammenhänge von chauvinistisch-autoritären Machtstrukturen und Homophobie ein.

Der Roman erzählt die Geschichte eines jungen Deutschen, der 2012 als Sprachlehrer nach Jekaterinburg kommt und dort ein Jahr lang Land und Leute kennenlernt. Gleichzeitig bekommt er die Einführung des Homopropagandagesetzes vor Ort mit. In klarer, doch assoziativer Sprache zeichnet der Text ein lebendiges Porträt des Alltags jenseits des Kremls, berichtet von Wodka-Gelagen in WG-Küchen, von schwulen Hinterhof-Partys, von zaghaftem Widerstand und geflüsterten Geständnissen, aber auch von der Angst, die sie auslösen. Der Roman ermöglicht Einblicke in den russischen Alltag, die im Zuge von Nachrichtensperren, Kriegsberichterstattung und aufgrund der radikalen Veränderungen der vergangenen Jahre kaum noch möglich sind. Der Autor reflektiert das in einem aktuellen Nachwort, das er für diese Neuausgabe verfasst hat, und das mit den Worten beginnt: Das Land, das ich lieben gelernt habe, existiert nicht mehr.”

Zur kompletten Herbstvorschau als PDF-Download
Zur Issuu-Ansicht zum Online-Blättern