Verlagsvorschau Frühjahr 2024 1. Januar 2024 – Posted in: Aktuelles – Tags: Adam Mars-Jones, Ahepka Yves Moïse N’Guessan, Box Hill, Die Frauen seines Lebens
Unser Verlagsprogramm fürs Frühjahr 2024 ist da. Wir gehen mit Adam Mars-Jones und Box Hill auf einen lebensverändernden Biker-Trip in die Siebziger Jahre und ergründen mit Newcomer Ahepka Yves Moïse N’Guessan und Die Frauen seines Lebens die Sehnsüchte und Widersprüche afrikanischer Gegenwartsgesellschaften.
ADAM MARS-JONES: BOX HILL
„1975: mein achtzehnter Geburtstag, ein Sonntag. Ich fuhr zum Box Hill. Weil mich die Biker interessierten. Weil ich Geburtstag hatte und keinen Grund brauchte.“
Adam Mars-Jones verbindet in Box Hill die Geschichte einer problematischen SM-Beziehung mit einem großen Panorama der Widersprüchlichkeiten menschlichen Verhaltens.
Die Geschichte beginnt in Surrey County, England, im Jahr 1975: An seinem 18. Geburtstag beobachtet Colin am Box Hill, einem Biker-Treffpunkt südlich von London, neugierig die starken Kerle im Motorrad-Outfit. Noch weiß er nicht, dass dieser Tag sein Leben für immer verändern wird. Bis er wortwörtlich über einen der starken Kerle stolpert: Ray. Die natürliche Autorität des deutlich älteren Mannes mit der Lederkluft übt vom ersten Moment an eine unbezwingbare Anziehungskraft auf Colin aus. Die Folgen sind seine erste sexuelle Erfahrung, seine erste Fahrt auf einer Norton Commando und seine erste Beziehung – der Beginn einer sechs Jahre andauernden, streng reglementierten Zweisamkeit, in der sich die Grenzen zwischen Unterwerfung und Geborgenheit auflösen.
Indem Adam Mars-Jones den Ich-Erzähler Colin die Geschichte mit einem zeitlichen Abstand von knapp zwanzig Jahren erzählen lässt, schreibt er dem Text beiläufig eine Nostalgie ein, die auch den Abgründen des Geschehens eine gewisse Zärtlichkeit zubilligt. So ist dieser Roman, dessen englische Originalausgabe mit dem Fitzcarraldo Editions Novel Prize ausgezeichnet und 2019 vom Guardian als das „größte kleine Buch des Jahres“ gehandelt wurde, sexy und anrührend, traurig und komisch zugleich, und entlarvt mit einer charmanten Portion britischen Humors das Männerwelt-Idyll der ungebremsten Motorrad-Rennfahrten und drakonischen Machtspielchen als Mythos von gestern.
AHEPKA MOΪSE N‘GUESSAN: DIE FRAUEN SEINES LEBENS
„Der Nebel, der meine Gedanken verdüstert, wird verschwinden und das Licht, am Horizont wunderbar sein. Der Tag der Freiheit wird kommen.“
In Die Frauen seines Lebens legt Ahepka Yves Moïse N’Guessan die Narben der Gegenwartsgesellschaft seiner Heimat, der Elfenbeinküste, offen und zeichnet damit ein überregionales Bild der Zerrissenheit vieler afrikanischer Kulturen. Der unfreie Umgang mit dem Thema Homosexualität wird dabei zum Sinnbild einer zwischen Tradition und Fortschritt schwankenden Gesellschaft. Gleichzeitig dient er dem Autor als Ausgangspunkt, drei erschütternde Frauenschicksale zwischen Unterdrückung und Befreiungsschlägen zu erzählen.
Der junge Arzt Marco hat es geschafft. Er hat eine erfolgreiche Karriere, seine Mutter liebt ihn über alles, mit seiner Ehefrau Linda hat er die gemeinsame Tochter Anastasie großgezogen. Doch die Fassade perfekter Konformität fußt auf Traumata, Verdrängung und dem Korsett gesellschaftlicher Zwänge. Als Marco nach Jahrzehnten der Selbstverleugnung beschließt, seine Homosexualität nicht länger zu unterdrücken, gerät die vermeintlich heile Welt ins Wanken. Alte und neue Wunden brechen auf.
Vier Schicksale, vier Stimmen: Ahepka Yves Moïse N’Guessan lässt in Die Frauen seines Lebens nicht nur den geläuterten Marco sprechen, sondern auch seine Mutter, seine Ehefrau und seine Tochter. Der multiperspektivische Ansatz verdeutlicht nicht nur die unterschiedlichen Standpunkte der Protagonist*innen, sondern verfolgt sie in radikal persönlichen Schilderungen zu ihren Ursprüngen zurück. So greift dieser Roman neben Homosexualität auch die Themen Drogenmissbrauch, Zwangsheirat und Genitalverstümmelung auf. Ein zutiefst humanistisches und überraschend universelles Gleichnis über die zerstörerische Wirkung von Tabus.